Ich heiße Francesco Bertacchini und bin in Reggio Emilia am 24. Juni 1926 geboren. Es war eine schlimme Zeit damals, wir konnten nirgendwo hingehen, denn wir wurden von allen Seiten beobachtet und das war lästig. Außerdem waren wir mit einem gewissen Benito befreundet, er war der Sohn von Benito Foscato, dem fiesesten und anmaßendsten Faschisten in der Dante-Zanichelli-Straße, am Fluß Crostolo, wo wir aufwuchsen. Deshalb mußten wir immer aufpassen, was wir sagten oder worüber wir sprachen, denn er berichtete es dann seinem Vater und der ließ uns ins Parteibüro vorladen. Es war ein Hundeleben, weil man sich nicht treffen konnte, mit wem man wollte. Eines schönen Tages kam er schließlich als Faschist verkleidet nach Hause, doch anfänglich schien es, als wäre er auf unserer Seite, darum redeten wir, doch wir sagten nicht offen unsere Meinung, weil er ein Typ war, der uns immer recht gab, doch schlussendlich immer zu seinem Vater lief und berichtete, was wir alles gesagt und getan hatten. Am Ende stellte sich heraus, dass er als Freiwilliger zu den Schwarzen Brigaden gegangen ist: das war ein Schlag für uns, denn wir hätten geschnappt und ins Gefängnis gesteckt werden können, denn so einem Subjekt konnte man einfach nicht trauen.
In Bezug auf den Waffenstillstand erinnere ich mich, dass vor unserem Haus, an der Straße, ein kleines Mäuerchen war und dort trafen wir uns zum quatschen. Ich erinnere mich, dass meine Schwester, als gegen 17 Uhr im Radio bekannt gegeben wurde, dass der Krieg vorbei war, aus dem Fenster rief: "Hey, Francesco! Im Radio haben sie gesagt, dass der Krieg vorbei ist, aber es wird wohl Auseinandersetzungen mit den Deutschen geben..." Also bin ich hoch, denn im ganzen Mietshaus hatte nur ich ein Radio, ich bin also hoch um zu hören: sie hatten gesagt, dass mit den Amerikanern ein Waffenstillstand geschlossen worden ist und deshalb die Sache mit dem Krieg erledigt war, stattdessen hatte er insbesondere für uns gerade erst begonnen.
Damals wurden die Straßen Dante, Dalmazia und Dante Zanichelli ein ganz ruhiges Viertel, denn alle Leute zogen aus dem Stadtzentrum weg, weil es kontinuierlich Bombenangriffe gab. Eines Abends bin ich mit Armando und Orvillo, der mit auf dem Bild ist, eines Abends trafen wir uns im Café Ariosto, denn ab acht war Ausgangssperre und danach gingen wir hierhin und dorthin. Wir haben uns mit dem Hausmeister der GIL-Schule angefreundet, er hieß Bonacini, denn Orvillo, der dritte Freund im Bunde, wir waren wie Brüder, arbeitete als Fahrer in der GIL. Wir fingen also an zusammen abzuhängen und wenn abends um acht die Alarmsirenen losgingen, gingen wir ins GIL, um den Abend zu verbringen, um zu spielen, um uns Gesellschaft zu leisten und niemand konnte kommen und uns stören, obwohl das GIL da schon eine Kaserne geworden war. Es war keine Kaserne der Schwarzen Brigaden, sondern der Grünen Flammen oder so... Den Jungfaschisten gaben sie einen anderen Namen, an den ich mich gerade nicht erinnere, das war deren Kaserne, aber sie ließen uns in Ruhe, weil sie wussten, dass wir in Felices Wohnung gingen, der arme Kerl lebte dort als Hausmeister und niemand kam ihn jemals besuchen. Wir konnten dort bis Mitternacht bleiben und dann schlenderten wir über den Fluß nach Hause, ohne Angst zu haben, von einer faschistische Patrouille geschnappt zu werden. Bis dann eines Tages Armandos Onkel zu uns sagte: "Oh, wenn ihr mal ein Runde dahin drehen wollt, wo die Rebellen sind, dann beschreibe ich euch den Weg". Und er ihn uns wirklich erklärt... Wir sagten, dass wir mal drüber sprechen würden, denn es wurden Sachen erzählt: "Es gab wohl eine Razzia in den Bergen, sie haben Rebellen gefunden, die haben dies und jenes gemacht...". Es ging los damit, dass wir immer mehr überwacht wurden, weil wir langsam erwachsen wurden und die Faschisten uns als störend empfinden konnten; also vereinbarten wir, mal diese Fahrt zu machen und haben das aber immer wieder verschoben, weil jede Menge geredet wurde, aber nichts wirklich passierte. Und eines Sonntags beschlossen wir, zu Pancios Onkel zu fahren, der uns den Weg erklärte. Es war weniger ein Weg, vielmehr eine Tortur, denn er sagte, wir sollten nach Sole di Vetto fahren: dort gab es einen Holzhändler. Seiner Meinung nach war die Straße bis Sole di Vetto frei und sicher und wir könnten dorthin fahren, und dann würde der Mann uns sagen, wie wir zu den Rebellen kommen. Aber es wurde ein Fiasko, denn als wir in Compiano ankamen, stießen wir auf eine Streife, die die Straße kontollierte und wir mußten auf die andere Seite des Flusses abhauen, Dann sind wir nach Scurano gelaufen und ab da hat sich unser ganzer Plan, eine Runde in den Bergen zu drehen, zerschlagen. Wir wollten einen Ausflug machen, der keiner mehr war, es wurde ein Desaster, denn wir hatten weder Geld noch andere Sachen dabei und fanden niemanden, der uns helfen konnte. Wir ließen unser Fahrräder in Compiano zurück, weil wir inzwischen in einer Gegend waren, wo sie nichts nützten... Zu Fuß liefen wir durch die Kurve bei Buvolo und sahen, dass auf der Brücke ein Haufen Leute saß, wir schauten uns an und sagten: "Ich glaube nicht, dass das normale Leute sind ... das da sind Soldaten oder Faschisten!". Und tatsächlich begannen einige, die auf der Brücke saßen, herunterzuspringen, um sich zum Empfang bereit zu machen. Da haben wir uns ohne viel Federlesen umgedreht und sind zum Fluß Enza runter gelaufen, haben ihn durchquert und sind nach Scurano gelaufen. Während wir uns dem Dorf näherten, sahen wir Leute weglaufen und fragten einen "Was ist passiert?" und er sagte: "Die Deutschen sind ins Dorf gekommen!". Verdammter Mist! Da war ein Mann, den haben wir gefragt: "Wo ist es sicher?" und er: "Ich gehe auf den Friedhof", also sind wir auch auf den Friedhof. Wir haben abgewartet und als nach einer Weile alles ruhig war, steht er auf und geht, wahrscheinlich nach Hause. Da wir den Ort nicht kannten, beschlossen wir, die Nacht über dazubleiben und am Morgen weiterzusehen. Im Morgengrauen sind wir dann aufgebrochen und hielten uns außer Sichtweite von Straßen und Dörfern und gingen langsam bergauf. Wir kamen an Nironi, Vairo, Palanzano vorbei, alles Dörfer in der Provinz Parma und immer wieder fragten wir: "Wisst ihr, wo sie sind?" "Nein, wir wissen nichts, wir sehen nichts, wir wissen nicht einmal, was Rebellen sind!". Also gingen wir gemächlich immer weiter bergauf, wurden immer verzweifelter, fühlten uns verloren... Wir hatten etwas Geld in der Tasche, aber lächerlich wenig, dann wird es Abend und jedes Mal stellt sich das Problem, bei einem Bauern einen Schlafplatz zu finden. Aber immer mit der Angst, dass während du irgendwo in einem Stall schläfst, die Faschisten kommen könnten und dich mitnehmen. Als wir endlich oben in Corniglio ankamen, treffen wir auf eine Frau, die vor ihrem Haus saß und mit Wolle arbeitete, strickte. Wir sagten: "Signora, wir suchen die Partisanen, die Rebellen...". Denn die Leute dort wußten gar nicht, wer die Partisanen waren, aber auch wir kannten nicht den richtigen Begriff. Also sagt sie: "Schaut, da oben in dem Haus, da ist ein Mann mit ein paar Leuten, aber ich weiss nicht, was sie machen, ob es Arbeiter sind oder nicht... Wenn ihr da morgen mal vorbeischauen wollt, könnt ihr das ja machen". Also sind wir da hochgegangen und das war tatsächlich eine Rebellengruppe, die von diesem Mann versorgt wurde und wir haben ihm gesagt, dass wir mitmachen wollen... Und er: "In Ordnung, dann bleibt hier". Sie sagten zu uns: "Wenn ihr wollt, kommt ihr mit auf Patrouille, andernfalls könnt ihr hier warten..." Wir sagten: "Nein, wir kommen mit" und dann sind wir auf Patrouille, eine Gruppe da, eine Gruppe dort. Als wir zurückkamen, war in einem Stall, der kein Stall war, sondern als Kaserne diente, ein schöner Tisch mit Butter, Käse, viele leckere Sachen. Eine Frau war dabei Tagliatelle für die ganze Gruppe zu machen... Wundervoll! Es war schon eine Weile her, dass wir das gegessen hatten und nicht mal zu Hause gab es das. Wir aßen und als wir Nachmittags wieder von der Patrouille zurückkamen, sagte der Gruppenführer: "Jetzt geht zu den Häusern, wo junge Frauen sind und ladet sie hierher ein, um zu plaudern, zu tanzen..." Also zogen wir los, hierhin und dahin und es kamen einige Frauen und wir plauderten und tanzten ein wenig, denn es gab auch ein Radio und wir hatten eine gute Zeit. Vier oder fünf Tage lang ging alles gut: Wir gingen auf Patrouille und kamen gegen Mittag zurück und eines schönen Morgens fragt der Gruppenleiter: "Na Jungs, ist alles in Ordnung?". Ich antwortete: "Ich bin an einem Ort, wie er besser für mich nicht sein könnte"; Da sprang Pancio auf, der neben mir saß und meinte: "Nein, wenn ich kommunistische Partisanen treffe..." "Was hast du gesagt?" "Wenn ich kommunistische Partisanen treffe, gehe ich zu denen". Ich gab ihm einen Stoß in die Seite und als wir wieder zu Hause waren, ging der Gruppenleiter zum Chef, um ihm unsere Absichten mitzuteilen. Er kam raus, rief uns und sagte: "Geht mal zum Chef..." Ich sagte zu ihm: "Armando (Pancio), denk doch mal nach, wir haben uns so abgemüht die zu finden und jetzt, wo wir sie gefunden haben, gehts uns gut, es gibt zu essen, wir amüsieren uns, wie kannst du so was machen?" Wir gehen also rein. "Es ist wohl besser, ihr geht in eure Gegend, denn wir haben nicht einmal Waffen, geht also besser in die Gegend von Succiso, denn dort gibt es Partisanen". Also gingen wir langsam los und ich diskutierte mit Pancio: "Mensch, wir haben so ein Glück gehabt und jetzt sitzen wir in der Patsche..." "Ach, du wirst schon sehen..." Nun ja, wir gingen los, sie hatten uns nicht einmal mehr was zu Essen gegeben am Mittag: wir sind losgezogen, kamen in unser Gebiet und sind dort am Morgen gegen 10 oder 11 Uhr angekommen. Es regnete, mieses Wetter und wir stritten die ganze Zeit miteinander wegen der Sache, die ich gerade erzählt habe. Wir kamen an einer Grube vorbei, wo Müll abgeladen worden war und nahmen an, dass wir in der Nähe eines Dorfes waren. In der Grube sah ich in dem Müll eine Art Gebirgsjägerhut. Das waren Hüte, die man beim Militärdienst bekam, bei den Balilla (faschistische Kinderorganisation), bei den Avanguardisten (faschistische Jugend): die hatten Hüte wie die Gebirgsjäger. Ich stieg hinunter, nahm ihn, säuberte ihn ein bischen und setzte ihn auf den Kopf, es regnete ja... So erreichten wir Succiso. Als wir in der Nähe von Succiso waren, sahen wir einige Frauen, die plötzlich verschwanden. Verdammt! Wir liessen und nicht beirren und ich ging in die Osteria von Torri und sagte: "Gibts hier in der Gegend Partisanen?" und er antwortet: "Nein, hier sind keine Partisanen, hier ist niemand!" "Aber da waren ein paar Frauen..." "Die sind nur einkaufen gegangen". Wir blieben eine Weile da und warteten, ob sich jemand zeigte, etwa eine halbe Stunde wie in der Wüste, obwohl wir im Dorf waren: nichts. Niemand war zu sehen, also setzten wir uns unter eine Pappel und sagten: "Lasst uns beraten: wir haben kein Geld mehr, es regnet, wir haben keine Ahnung, wo die Partisanen sind, niemand hier sagt uns etwas, was sollen wir tun? Nach Hause gehen? Aber nach Hause können wir nicht mehr zurück!" Er (Pancio) versuchte mich zu beruhigen, er war älter als ich, er war 1924 geboren und ich 1926. "Du wirst schon sehen...". Doch ich zog meine Brieftasche hervor, nahm den Personalausweis raus, schaute ihn an und sagte: "Hier, das ist geblieben von unserem Willen die Rebellen zu finden". Und dann zerriss ich den Ausweis. Er fragte mich, warum ich das mache. "Was meinst du denn? Dass wir nach Hause gehen und zeigen, dass wir noch einen Ausweis haben? Die wissen doch längst, dass wir diesen Ausflug gemacht haben, um zu sehen was los ist. Der Ausweis ist zerrissen und fertig!". Dann habe ich mich an die Pappel gelehnt und geweint, wie ein zweijähriges Kind. Den ganzen Tag lang war es so, denn wir hatten nicht einmal Geld, um etwas einzukaufen, abgesehen davon, dass es nichts zu kaufen gab. Gegen Abend sahen wir jemanden aus dem Wald kommen. Es war einer aus Gavasseto, dem ich ein Radio gebracht hatte. Er sagte: "Du bist doch der Lehrling von Magnani! Du hast bei mir das Radio aufgebaut, erinnerst du dich? Ich wohne in Gavasseto." "Ja, ich erinnere mich!" Also los, wir nahmen unsere Sachen und gingen mit. Die Partisanen waren bei Capanne di Succiso. Nach dem Mittagessen haben sie die Abteilung zweigeteilt und mein Freund Pancio und ich wurden getrennt. Also fragte ich: "Wo gehst du hin?" "Sie haben mich hier eingeteilt und du gehst in die Cervi-Gruppe." "Nein, lass uns zusammenbleiben, wir sind wie Brüder und können uns doch nicht trennen lassen", von Leuten, die wir kaum kannten, die wir nur kurz gesehen hatten. Also bin ich zu "Mario", den ich neulich noch auf einem Foto gesehen habe, und sagte: "Schau...", "Sbafi" war Kommandeur und "Mario" war Politkommissar, "Wir sind wie Brüder, lasst uns zusammenbleiben, sonst wird das nichts." Und er: "Kein Problem, wollt ihr in die Gruppe oder in die?" "Das ist egal, Hauptsache wir bleiben zusammen." Dann haben sie uns der "Cervi"-Gruppe zugeteilt und abends sagten sie: "Ihr müsst jetzt los, denn ihr geht an den Cerreto-Pass, um die Straße zu blockieren".
Wir wurden aufgenommen und sind dann bis zum Cerreto Pass gelaufen, um die Straße zu blockieren, weil der Verkehr zugenommen hatte und die Deutschen anfingen uns entlang der Strße Ärger zu bereiten. Von Aulla bis Castelnovo Monti waren ständig Deutsche mit Panzern und Autos unterwegs. So beschlossen wir, sie zu stören, denn für uns war das schon eine Gegend, in der wir nicht mehr ungestört waren. Einmal pro Woche sollte gewechselt werden, doch seit fast zwanzig Tagen war keine Ablösung gekommen. Wir lebten im Wald, ohne Schutzmöglichkeit, ohne einen sicheren Ort. Die diensthabende Patrouille auf dem Pass war immer in Alarmbereitschaft, denn jederzeit hätte etwas passieren können. Weil wir schon so lange da oben waren, fingen wir an, uns beim Kommando zu beschweren und die Ablösung einzufordern, denn fast alle begannen krank zu werden. Denn Ende September gab es dort viel Nebel und es begann zu schneien, Anfang Oktober schneite es immer und dann war das Schlafen im Wald und das Patrouillieren auf der Straße gar nicht schön. Wir beschwerten uns heftig beim Kommando: dann kam die Abteilung "Piccinini", die von "Gek" kommandiert wurde, um uns abzulösen. Ich hatte eine leichte Grippe und sollte danach wieder zu meiner Abteilung gehen. Ich habe meine Abteilung aber nicht wiedergefunden. Sie hätten in der Nähe von Legoreccio sein sollen: dort wollten sie sich erholen, es war eine ruhige und sichere Gegend. Als wir dort jedoch ankamen, wir waren zu zweit, war die Abteilung schon in Richtung Parma aufgebrochen. Da wir unsere Abteilung nicht gefunden hatten, versuchten wir, zur nächstgelegenen zu kommen, diese Abteilung hieß "Antifaschist". Wir wollten bei denen bleiben, bis unsere Abteilung, die "Cervi", zurückkam. Und dann hätten wir noch einmal darüber gesprochen. Wir haben uns in der "Antifascista"-Abteilung angefreundet und mir gefiel diese Abteilung, weil wir gut miteinander zurechtkamen und ich mich wohl fühlte. Als wir die "Cervi"-Abteilung dann wieder trafen, sagte ich zu "Pancio", der sich diesen Decknamen zugelegt hatte: "Pancio, komm zu uns, hier ist es ok, hier geht es uns besser", denn in der anderen Abteilung hungerten wir, aber hier gab es genug zu essen. Es war eine fruchtbarere Gegend, es gab mehr Bauern, bei den anderen gab es nur Wald, sonst nichts. Und er sagte: "Nein, mir geht es hier auch gut, wir reden nochmal darüber". Das Reden haben wir danach aber vernachlässigt und dann passierte das mit der "Cervi"-Abteilung, sie wurde massakriert: als sie umzingelt waren und sich ergeben hatten, wurden sie alle getötet. Diese Zeit war die reinste Enttäuschung, wir waren wirklich niedergeschlagen, und es musste Abhilfe geschaffen werden, sonst wäre es schlimm ausgegangen. Natürlich werde ich am 17. zum Jahrestag, also am 21. dann, weil die Gedenkfeier immer sonntags ist, einen Ausflug an den Ort machen, wo die"Cervi"-Abteilung umkam. Aber ich kann sagen, dass ich mit der Abteilung Glück hatte, denn zwei- oder dreimal hat es Zufälle gegeben und es ist immer gut gelaufen für mich.
Bruna war eine weitere Stafette, die geholfen hat, mich zu retten. Wir sollten uns zwischen Barco, Bibbiano, Montecchio und Cavriago treffen, bei der Eisenbahnlinie, gegen Mitternacht. Wir kamen um elf an und um nicht im Freien zu stehen, es gab in der Nähe ein Bauernhaus, haben wir der Stafette gesagt: "Du hältst Wache und wir verstecken uns da, bis sie kommen. Aber sei vorsichtig!" Und gegen Mitternacht kommt sie, tritt ein und sagt: "Hey Leute! Die Partisanen, die wir treffen sollten, sind alle weiß gekleidet und ich habe nach der Parole gefragt, aber sie haben sie nicht genannt!" "Wie, sie haben sie nicht genannt? Was soll das?" Wir gingen zur Stalltür und da waren sie, eine Gruppe von 20 Personen, direkt vor uns in Stellung. Als sie begriffen hatten, dass wir im Stall waren, riefen sie: "Kommt mit erhobenen Händen raus!" Bei uns war Licht an und einer hat mit dem Kolben seines Gewehrs die Glühbirne zerschlagen, damit wir im Dunklen waren. Sobald das Licht ausging, haben sie angefangen auf uns zu schießen. Dabei haben sie zwei Kühe und eine Esel getötet. Einer von uns hatte seine Schuhe ausgezogen und keine Zeit mehr sie zu suchen, wir rannten alle weg. Wir flüchteten nach hinten, denn auf der Türseite waren wir schon umzingelt; eine Eisentür, die war noch nie geöffnet worden, nach drei oder vier Schlägen gelang es uns, sie von unten aufzuhebeln. Einer nach dem andern ist raus, während sie schossen, aber sie schossen auf die Kühe und wir schafften es rechtzeitig raus. Ich war der letzte, der rauskam, schaute mich um, sah aber niemanden mehr, weil da ein Hühnerstall war, hab dort nachgeschaut, nichts. Ich ging um die Scheune herum, aber das war die falsche Richtung, denn ich ging in Richtung Straße und plötzlich höre ich jemanden sagen: "Komm mit erhobenen Händen her!" Verfluchter Mist, hier war ich wohl falsch... Also habe ich ein Salve auf sie gefeuert, damit sie sich abregten, und bin zurück, ging wieder in den Hühnerstall und auf die andere Seite, da war ein Graben. Ich stieg in den Graben, duckte mich und ging darin ein Stück in Richtung Friedhof, ich lief um den Friedhof herum, da aber Schnee lag und ich keine Spuren hinterlassen wollte, blieb ich im Graben, obwohl da Wasser drin war, und schaute mich um wo meine Leute waren. Aber ich sah sie nicht mehr. Dann habe ich versucht, die Wiese hinter dem Friedhof zu überqueren, ich ging ein Stück, fand einen anderen Graben, auch wieder voller Wasser, und stieg hinein, um meine Spur zu verbergen. Als ich am anderen Ende ankam, hörte ich, dass sich die Deutschen schon ein Stelldichein gaben, das Galoppieren der Pferde war zu hören. Rechts lang, links lang, Rufe von einer Seite ... Was mache ich hier? Ich hielt an. Es gab einen Graben in der Nähe... Damals wurden die Weinreben von Bäumen abgestützt, von Ulmen. Ich hockte mich neben eine Ulme und verschaffte mir einen Überblick. Dann hörte ich die Uhr in Barco, die Kirchturmuhr in Barco: es schlug eins, halb zwei, zwei Uhr... In der Morgendämmerung konnte ich besser sehen und entdeckte gar nicht weit entfernt ein kleines Haus. Vorsichtig habe ich mich genähert. Damals gab es keine Wachhunde so wie heute, darum konnte ich bis ans Fenster herangehen: Als ich in die Küche schaute, sah ich eine alte Frau mit Krückstock, die ins Feuer blies, um den Kamin anzuzünden. Ich schaute mich um und dann, ganz vorsichtig... Damals schlossen die Bauern die Haustür nicht ab wie heute, sie ließen die Tür offen, um in den Stall zu gehen. Also ging ich vor die Tür, trat hinein, klopfte dann und sagte: "Oma, Oma!" Als sie sich umdrehte, erschrak sie derart, dass sie von ihrem Hocker auf den Boden fiel. Ich versuchte, sie hochzuziehen und wieder hinzusetzen, als ihre Tochter herunterkam: "Was ist denn hier los?" "Hören Sie, es ist nichts passiert..." "Aber wir haben bis eben Schüsse und Geräusche gehört. Was ist los?" "Es ist nichts, jetzt versuchen wir erstmal, die Oma wieder herzurichten, dann sehen wir weiter" Ich hatte lange Haare, einen langen Bart, war nass von der Haarspitze bis zu den Füßen; meine Sachen waren zum Teil gefroren, weil ich die ganze Nacht in der Kälte verbracht hatte... Wir halfen ihrer Mutter, sich hinzusetzen, währenddessen kam ihr Mann runter. Wir redeten miteinander, ich sagte: "Schaut, wenn ich einem Haus gelandet bin, das mit uns sympathisiert, passiert nichts und alles ist ok. Wenn ihr allerdings Ärger macht, seid ihr vor mir dran!". Dann er: "Nein, ich bin ein Sympathisant, ich bin jemand, der..." "Nichts für ungut, wir kriegen das alles wieder hin." Wir hockten da zusammen und während wir uns unterhielten, sagte ich: "Kennt ihr Bruna?" Bruna war die Stafette aus Cavriago, die sie ein paar Tagen danach verhaftet haben. Sie folterten sie und haben ihr alles Mögliche angetan. Jedenfalls haben sie mich in der Scheune versteckt, dann haben sie mir etwas zum Umziehen gegeben und mich ins Versteck gebracht: Zu dieser Zeit gab es unterirdische Verstecke auf den Feldern. Da brachten sei mich hin. Er ging währenddessen nach Cavriago, um Bruna zu holen, und sie kam tatsächlich, ich war so erleichtert, als ich sie sah. Sie kam an und sagte, dass man mich abends um neun abholen würde. Als ich um neun auf dem Pfad war, kamen wirklich diese Partisanen und brachten mich bis nach Gombio, wo unser Lager war. Ich hatte dort eine Freundin: Ich ging in die Scheune, denn ich wusste, dass sie immer in die Scheune ging, wenn sie runterkam, und wie sie mich sieht: "Volpe! Volpe!", dann haben wir uns umarmt. "Es gab das Gerücht, sie hätten dich erwischt, sie hätten dich getötet...". Es is aber alles gut gegangen und darum sind wir noch hier.
Unseren Kampfnamen haben wir bekommen, als wir der Abteilung "Antifascista" beitraten, denn bei der "Cervi"-Abteilung hat niemand unsere Daten aufgenommen, niemand hat gefragt. Da wollten sie aber unsere Daten und unsere Kampfnamen. Wir waren zu dritt, mit einem aus Puianello, der in Cuccolinis Nudelfabrik arbeitete; "Sucht euch einen Namen aus" und Pancio sagte: "Ich will den Namen eines Kriegers: Pancio!" Ich sagte: "Pancio war doch dieser Guerillakämpfer.... Wie hieß der? Na, der Südamerikaner... Nein, nein, ich nehme was subtileres." Der andere sagte: "Er ist Pancio und ich nenne mich Vipera (Viper)". Ich fragte: "Warum Vipera?" "Weil sie mir Angst macht." "Du bist Vipera und ich nenne mich Volpe (Fuchs). Der ist flink und läuft der Gefahr davon und rettet sich." So war die Geschichte mit Volpe. Außerdem dachte ich, es wird nicht so viele Volpe geben, es gab tatsächlich noch einen in der Abteilung "Rosselli", der hieß aber Volpa (Füchsin), ich war jedoch Volpe und blieb es auch die ganze Zeit über. Es gab viele, die an jedem Ort den Namen wechselten, von einem Gebiet zum anderen änderten sie ihren Kampfnamen; ich nicht, ich fand meinen in Ordnung und behielt ihn. Ich hatte ihn wegen der Schnelligkeit gewählt, weil der Fuchs gut rennt. So ist der Name Volpe entstanden, mein erster und letzter Name.
Zwei Tage vor der Durchquerung des Flusses Enza kam der Bataillonskommandeur "Cicci" und sagte: "Jungs, wir dachten, das wäre einer der üblichen Überfalle der Deutschen und der Faschisten, stattdessen haben wir herausgefunden, dass es sich um eine groß angelegte Durchkämmungsaktion (Razzia) handelt, die Ciano, Casina, Castelnovo Monti und Vetto betrifft, das ganze Gebiet ist abgeriegelt und jede Menge Einsatzkräfte versuchen, uns einzuschließen und zu schnappen." Es wurde beschlossen, alle Partisanen zu schützen, die sich in der Gegend von Vetto und Rosano aufhalten, und uns dann in Richtung des Enza zu begeben, um ihn abends zu durchqueren. Am Abend sagte der Kommandeur zu uns: "Jungs, wir müssen jetzt wirklich aufmerksam Wache halten, weil überall Deutsche sind und ihr sie sehen könnt, also haltet die Augen offen, denn wenn wir was unüberlegtes tun oder einen Deutschen töten, werden sie danach das Dorf niederbrennen. Gegen drei Uhr morgens kam der Befehl zum Aufbruch, wir sollten losgehen, denn inzwischen waren keine Partisanen mehr in der Gegend. Wir waren demzufolge die Nachhut, und konnten in Ruhe abziehen; die Stafetten kamen, nachdem sie sich draußen umgesehen hatten, und sagten, die Straße sei frei, also los... bei der Straßenmeisterei haben wir uns lange in alle Richtungen umgeschaut, nichts, der Nebel war die ganze Zeit sehr dicht... Wir gingen über die Straße und dann zum Enza hinunter: es gab nicht mal einen Stock, hinter dem man sich verstecken konnte, nur eine einzige Wasserfläche, nirgends ein Versteck, wenn der Nebel sich verzogen hätte. "Mirko" hatte in seiner Gruppe einen Partisanen, der aus der Gegend kam, ein großer Mann, er hatte auch so einen Spitznamen, ich erinnere mich gerade nicht daran. Er sagte: "Gib mir einen mit, ich gehe zu mir nach Hause und hole ein Seil zum durchqueren", das Wasser stand sehr hoch. Sie kamen mit dem Seil zurück, wir hatten ein kleines weißes Pferd: das Seil banden wir an einen Felsen in der Uferbefestigung. Er band es fest, wir rollten es aus und jemand band es am Sattel des Pferdes fest. Ein kleines weißes Pferd, das arme Ding hätte einen Ständer unterm Bauch gebraucht, weil es so mager war, es blieb nur stehen, weil es vier Beine hatte. Als das Seil gespannt war, hieß es: "Los, los, los!". Es war noch etwas Platz vom Pferd bis dahin, aber wir waren schon... Aber als wir drin waren, ging uns das Wasser bis zu den Schultern. Ich hatte das Maschinengewehr in einer Hand und das Seil in der anderen, "Mirko" und dieser Typ, wie hieß er noch, Giovannone, gingen voran: "Beeilt euch, Jungs!" Ich bin einer der ersten, wir laufen los: und plötzlich verschwindet der Nebel, als wär das extra organisiert gewesen, diese Nebelwolke über der Straße verschwand und man konnte die ganze Straße einsehen, die nach Vetto hinaufführt. Da waren deutsche Patrouillen und sobald sie sahen, dass wir den Fluss durchquerten, eröffneten sie das Feuer. Man hörte die Kugeln durchs Wasser pfeifen, unvorstellbar... Wir kamen über die Flussmitte, da fingen parmenser Partisanen vom Wachposten am anderen Ufer auch an, auf uns zu schießen. Schießen die Deutschen, also schießen die auch, solche Esel! Wir riefen "Jungs, stopp! Stopp! Wir sind es, wir sind Partisanen" und als wir ans Ufer kamen... Neulich hab ich das wieder erzählt, bei der Gedenkveranstaltung, denn vier Partisanen sind da getötet worden. Wir gingen trotzdem weiter, obwohl die anderen Partisanen schossen, denn es gab keinen anderen Ausweg: entweder von den Deutschen getötet werden oder im Wasser ertrinken. Wir haben es jedenfalls auf die andere Seite geschafft: als der Anführer des Postens kam, habe ich ihn einen Esel genannt und er sagte: "Ich habe euch für Deutsche gehalten". "Glaubst du wirklich, die Deutschen kommen mit uns durchs Wasser gelaufen? Dass wir uns gemeinsam mühen durch das Hochwasser zu kommen, echt?" Danach gingen wir unseres Weges und sie ebenfalls, Tatsache ist, dass wir es hinüber schafften und dann bis zum Monte Caio kamen. Aber es regnete ununterbrochen jeden Tag, und als wir höher kamen, wurde aus Regen Graupel, aus Graupel wurde Schnee. Wir schafften es nicht über den Kamm des Monte Caio, so sehr stürmte es. Also sprach ich mit dem Sohn des Kommandeurs: "Schau Ettore, ich lege mich hierhin, da bin ich geschützt und kann nicht gesehen werden". So blieben wir bis zum nächsten Morgen. Am Morgen, als sich alles beruhigt hatte und es langsam hell wurde, haben wir uns den Schnee abgeklopft und gingen weiter: wir gingen bis zum Monte Penice in der Provinz Piacenza. Schaut euch das mal auf der Karte an... Monte Penice. Und dann sind wir wieder zurückgelaufen.
Bezüglich Disziplin... da ist mir mal passiert, dass ich Zahnschmerzen hatte und nach einem Arzt suchte, wir waren oben in Cerreto Alpi: Ich fand einen Arzt und er sagte: "Ich habe keine Zange, um Zähne zu ziehen". Es tat so weh, dass ich weder schlafen noch essen konnte, also sagte er zu mir: "Ich besorge dieses Werkzeug, und dann lasse ich dich holen und ziehe den Zahn"; um den Schmerz zu lindern, empfahl er: "Besorg dir im Dorf eine Kartoffel bei einer Bauernfamilie, lass sie zerreiben und pack das auf die schmerzende Stelle. Dann wird es besser, du wirst sehen." Bevor ich auf Nachtwache ging, habe ich das gemacht, mir dann ein Taschentuch drumgebunden und bin dann nicht direkt an die Straße gegangen, sondern etwas abseits, damit ich sehen konnte, wer kam oder ging. Während ich dort saß und über mich und die Jugend nachdachte, über meine Familie, die ich verlassen hatte, über dies und jenes, begann die Kartoffel zu wirken. Mir ging es wegen der Zahnschmerzen schon einige Tage schlecht, und plötzlich bin ich eingeschlafen. Der Kommandeur der "Cervi"-Abteilung, Arturo Gambuzzi, war mit Trolli, der zu einer Besprechung dorthin gekommen war, und mit noch zwei oder drei anderen Kommandeuren, auf dem Weg zum Hotel, das kurz vor dem Cerreto Pass ist. Ich war da ganz in der Nähe. Nach ihrer Besprechung gingen sie zurück zu ihren Abteilungen und als sie am Anfang des Saumpfades waren, hörte ich sie nicht. Ich musste richtig fest eingeschlafen sein. Sie fingen an zu rufen: "Wo ist denn der Wachposten? Wo ist die Wache? Hier sollte eine Wache stehen! Wieso ist hier keiner? Wie kann es in diesem Gebiet keine Wache geben!?" Als sie dicht bei mir waren wachte ich auf: "Hier bin ich, mein Zahn tut weh..." "In Ordnung. Da sprechen wir morgen früh drüber." Am Morgen gab es ein großes Plenum... La Gabellina war das Restaurant! Ein kurzes Treffen, um meine Bestrafung mitzuteilen, denn so ging das ja nicht... Denn eigentlich hätte ich sagen müssen, dass ich keine Wache halten konnte, dann wäre ich abgelöst worden. Doch die Selbstdisziplin, die wir uns auferlegt hatten, erlaubte es mir nicht, einen anderen Genossen auf Wache zu schicken, ich war an der Reihe und mußte es also tun. Die Angelegenheit war eindeutig, zur Strafe: ein Tag am Pfahl. Direkt neben unserem Lagerplatz säuberten sie einen Baum, denn auch dort mussten wir uns ruhig verhalten, ohne Lärm zu machen, weil wir zwar die Staatsstraße sehen konnten, man dort aber auch hören konnte, wenn bei uns jemand sprach. Jedenfalls banden sie mich den ganzen Tag über an den Baum und als es Abend wurde, haben alle über mich gelacht, alle haben gelacht, denn an einem so gefährlichen Ort einzuschlafen, das war echt... Ich habe mir das gut gemerkt und wenn es wieder mal Gelegenheit gab, einen schlechten Eindruck zu hinterlassen, habe ich es nicht gemacht, denn es war wichtig, das zu tun, was getan werden musste. Damit wir sicher waren. Denn wenn du auf Wache oder auf Patrouille warst, musstest du diesen Job machen, du musstest tun, was dafür nötig war und die Sicherheit der Abteilung garantieren.
Ehrlich gesagt war der Monat April langweilig. Jeden Abend gingen wir Radio London hören, und das erste, was sie sagten, war: "Wir beobachten und halten Wache, weil in dem Gebiet noch kein großer Vormarsch möglich ist". Als unser Leiter einmal vom Bataillonshauptquartier zurückkam, sagte er: "Jungs, macht euch bereit, morgen brechen wir auf!" "Wie, morgen geht es los? Wohin denn?" "Morgen früh gehen wir runter, nach Reggio." "Ach nee..." "Ja, mittlerweile sind alle in Bewegung. Morgen früh soll sich das ganze Bataillon und die ganze Brigade nach Ciano begeben." Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen oder zumindest waren es nur Nickerchen, denn zu wissen, daß wir runtergingen, war zu aufregend... Wir kamen in Ciano an, sehr bedächtig, weil wir wussten, dass die (deutsche) Anti-Rebellen-Einheit dort war, immer in Alarmbereitschaft, die hätten von allen Seiten aus den Fenstern schießen können... Doch wir kamen in Ciano an, ohne einen einzigen Schuss abgegeben zu haben; Der Ort war wie ausgestorben, nicht einmal die Bevölkerung war zu sehen. Da in Ciano nichts war, gingen wir weiter. Inzwischen war es fast Mittag und "Falco" sagte: "Wir gehen zur Kreuzung in San Polo". "Ok, lasst uns zur Kreuzung in San Polo gehen". Sehr vorsichtig, in einem Abstand von zehn Metern von einem zum anderen, weil überall Gefahr drohte, kamen wir an der Kirche an. Wir saßen da, die Leute unterhielten sich, die zwei Maschinengewehre, ein schweres und ein leichtes, waren aufgestellt: plötzlich sah man in der Kurve von Quattro Castella einen Panzerwagen. "Los, los, die Deutschen! Kommt schon, kommt schon, es sind Deutsche!" Alle machten sich bereit... Es war ein Panzerfahrzeug mit einem Schwarzen darauf! Er rauchte eine lange, dicke Zigarre! Wir sind hin, sie sahen, dass wir Partisanen waren und hielten an, stiegen herunter, wir umarmten uns... Der oben war Brasilianer, er warf seine Zigarre an den Feldrand und als ich das sah, zack! Ich lief hin, machte sie aus und steckte sie ein, denn wir rauchten ja nur Walnuss- oder Kirschbaumblätter und da sagte er: "Nein, nein! Hier!", gab mir eine Zigarre und wollte, dass ich den Stummel wegwarf, weil er schon alles geraucht hatte. Später gaben sie uns ein Stück Schokolade, fragten: "Wie gehts, wie stehts?" und sprachen sogar italienisch. Wir blieben die ganze Nacht dort und bei Sonnenaufgang kam der Befehl: die Abteilung "Antifascista" geht nach Bibbiano, weil der Ort besetzt werden muss. Wir hätten jedoch in Richtung Quattro Castella gehen wollen, denn nach Quattro Castella kam Roncolo und danach wären wir in Reggio gewesen. Stattdessen liefen wir nach Bibbiano: kamen morgens dort an, ganz umsichtig, keine Menschenseele zu sehen; also begannen wir wieder einen provisorischen Posten zu errichten. Da sprangen plötzlich Deutsche hinter den Bäumen hervor, alle so, mit erhobenen Händen... Wir waren in der Nähe der Schule, ich erinnere mich gut, weil ich da später zehn Jahre bei Coop Box als Fahrer gearbeitet habe... Sie sprangen hinter den Bäumen hervor, wahrscheinlich hatten sie sich während der Flucht am Abend vorher dort versteckt, hinter den Bäumen waren sie versteckt, buchstäblich hinter jedem Baum war ein Deutscher: Wir hielten unsere Waffen und sagten: "Los vorwärts! Kommt her!". Nach und nach kamen sie mit erhobenen Händen und wir steckten sie in die Schule, die direkt an der Straße stand. Falco sagte zu mir: "Es kam der Befehl nach Parma zu gehen." Ich und noch drei, vier andere aus unserem Kommando sagten: "Ich gehe nicht nach Parma, ich werde die Stadt Reggio verteidigen, nicht Parma!" Ich verachtete die Partisanen aus Parma, weil sie auf uns schossen, als wir am 6. Oktober den Fluss durchquerten. Und mit den Parmensern sind wir sowieso nie verbrüdert gewesen. Nichts zu machen: Wir müssen nach Parma. Das Übliche, Selbstdisziplin: es war befohlen nach Parma zu gehen, also gingen wir nach Parma. Wir ließen Quattro Castella hinter uns, kamen an Monticelli vorbei und von dort ging es weiter bis nach Parma: im Gänsemarsch laufend haben wir uns die schöne Landschaft angeschaut. Nicht einen Schuss haben wir abgegeben! Alles war sauber, leer, weder Faschisten noch Deutsche, nichts! Als wir am Stadtrand von Parma ankamen, trafen wir auf einige Partisanenpatrouillen, die sagten, dass es Scharfschützen gäbe und wir vorsichtig sein müssten. Während wir die Lage einschätzten, kam aus Richtung Reggio ein amerikanischer Jeep mit zwei Leuten: wir signalisierten "Stop, stop!", sie hielten und wir sagten: "Da ist ein deutscher Posten, der nervt". Sie wollten sich das genauer ansehen, und wir haben in die entprechende Richtung gewiesen: da drehte sich einer um, nahm Maß, steckte eine Granate in den Mörser und ab: "Tschimm, tschimm, tack!", weg war sie, keine Menschen mehr zu hören. Offensichtlich hatte er das Ziel getroffen. Wir kamen aus der Deckung hervor, standen auf und guckten, aber da war nichts mehr. Wir verabschiedeten uns von den beiden Amerikanern, die ins Stadtzentrum fuhren. Wir stiegen auf einen Laster und fuhren nach Reggio. Um Mitternacht kamen wir in der Artillerie-Kaserne an. Wir hatten es uns etwas gemütlich, da kam einer rein und sagte: "Ein Francesco wird gesucht! Wer ist Francesco?" Ich hörte das zwar, brauchte aber etwas, weil ich seit Monaten Volpe war, nicht Francesco. "Da ist ein Mann, der sucht einen Francesco!" Ich ging raus, es war mein Vater: und da wir uns nie richtig gut verstanden hatten, weil er auch, wie soll ich sagen, ein herrischer Vater war, umarmten wir uns einfach. "Ich suche dich schon so lange", sagte er, "die sagten 'Ja, er ist hier', und ich sagte 'Nein, ihr tut nur so, weil er tot ist'". "Lass es gut sein, wir sind beide hier, alles ok!" und dann sagte er "Ich gehe jetzt nach Hause, sage es den andern und du kommst nachher zum Essen". Na klar, ich gehe zum Essen nach Hause! Sie hatten kaum Essen für sich! Jedenfalls ist die Sache irgendwie gut gelaufen, mein Vater ging wieder und Falco sagte: "Nimm dir drei oder vier Männer und geht Streife auf der Via Emilia, und dabei kam ich bei meinem Chef vorbei, den mochte ich sehr, er war gerade vor dem Laden. "Oh Francesco!", wieder Umarmung hier, Umarmung da. Nur Minuten später sagte er: "Also, jetzt müssen wir uns mal wieder was zu arbeiten suchen..." "Verflixt, ich war noch nicht einmal zu Hause! Na ja, sobald ich entlasse werde, komme ich vorbei". Und tatsächlich bin ich am Morgen nach der Entlassung in den Laden gegangen. So haben wir ein ganz neues Leben begonnen.
Ich glaube am 3. Mai haben wir eine Parade abgehalten und gingen dann in die Piazza. Wir sollten unsere Waffen abgeben, aber ehrlich gesagt, tat ich das nur schweren Herzens: ich hatte ein schönes, glänzendes, sauberes Sten, das ich wie einen Bruder behandelte, da gab es nicht viel drum herumzureden. Ich habe es dann abgegeben, weil ich diese Zeit auch vergessen wollte: ich hatte alles aus eigenem Antrieb getan, ganz spontan, um die Faschisten zu vertreiben, mehr noch als die Deutschen. Die Waffe hatte ich abgegeben, damit war es vorbei. Und in der Tat, als ich dann wieder arbeiten ging, dachte ich nur an die Feste und ans Tanzen, denn dort trafen wir junge Frauen, gingen hier und dort hin ... Ein paar Mal wurde ich in die Ortsgruppe zu Treffen eingeladen und ehrlich gesagt: Es interessierte mich nicht mehr. Als sie mich noch einmal einluden, bin ich nicht mehr hingegangen. Ich habe dann Stück für Stück angefangen zu arbeiten, ich wollte ja wirklich arbeiten, aber die Abende verbrachte ich auf meine Art. Wir gingen tanzen, zum Beispiel in Puianello, in Codemondo, in der Po-Ebene, immer tanzen bis zwei oder drei Uhr. Manchmal sagte mein Vater: "Die Tanzlokale schließen um Mitternacht, was macht ihr denn bis drei Uhr?" Wir wollten unseren Spaß haben, denn wir kamen gerade aus einer Zeit, in der nur von Krieg die Rede war. Bei den Partisanen bin ich gewissermaßen der Sänger meiner Einheit geworden, weil ich gern sang. "Los Volpe, sing mal dieses Lied!" und ich sang. Aber dann überkam einen immer die Traurigkeit, also dachte ich später nur daran mich zu amüsieren. Dann habe ich eine Freundin gefunden, sie war die Cousine meines gestorbenen Freundes, mit der haben sie mich verkuppelt. Denn sie kam immer zu mir und sagte: "Komm, nimm mich heute Abend mit zum Tanzen", sie wohnte in Puianello, ich in Reggio, danach ging sie zum schlafen zur Familie von Pancio. Aber wenn etwas nicht spontan ist, wird es nicht gut, in Wahrheit war alles ein Bluff: Also haben wir uns getrennt und uns nie wieder gesehen. Dann habe ich meine Frau getroffen. Ich hab sie richtig gesucht. Ich war bei Zibordi, habe sie gesehen und peng! Ich hatte nach ihr gesucht und mit ihr war es ein komplett anderes Leben. Und jetzt sind wir hier. Aber ich habe immer ehrenamtlich gearbeitet, auch beim ANPI (Partisanenverband), das mache ich von Herzen gern, denn ich hatte etwas aus Eigenitiative getan: Niemand hat gesagt: "Du musst zu den Partisanen gehen!" Nein. Ich bin zu den Partisanen gegangen, weil ich es für das Richtige hielt.
Francesco Bertacchini (geboren 1926)
Kampfname
Volpe
Widerstand
1944 - 1945: Reggio Emilia (Italien)
Armed Resistance, Partisan
Widerstandsgruppen
144° Brigata Garibaldi
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Original interview language (Italienisch)
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