Ich heiße Lidia Valeriani. Ich wurde am 23. Januar 1923 in Montecavolo di Quattro Castella in dem kleinen Dorf Scampate geboren. In schrecklichen faschistischen Zeiten, denn mein Vater war bereits Opfer politischer Verfolgung. Ich hatte zwei ältere Brüder, sechs weitere folgten – wir waren eine Familie mit neun Kindern. Als wir mit sechs Jahren die Schule besuchten, erkannten wir bereits, dass wir als Kinder von Antifaschisten anders waren als jene der Faschisten, die Mitglieder bei den „Balilla“, bei den „Piccole Italiane“ – den faschistischen Jugendorganisationen – waren. Ich bemerkte und verstand das, als ich sechs Jahre alt war und ich begann, meinen Vater zu fragen, warum wir in der Schule anders als die anderen behandelt wurden. Mein Vater versuchte, es mir zu erklären, so gut er konnte – schließlich war ich noch ein kleines Mädchen. Niemals hätte er uns bei den „Piccole Italiane“ oder die Jungen bei den „Balilla“ angemeldet. Als wir älter wurden, begannen wir einige Dinge zu verstehen, etwa dass die Antifaschisten in den Untergrund gehen mussten. Ich war damals zehn. 1933, als sie begannen viele Leute zu verhaften – sie hatten auch schon davor Leute verhaftet und verprügelt –, wurde mir die Situation bewusst und einige unserer Nachbarn wurden in diesem Jahr verhaftet.
Die älteren Genossen sahen, dass ich an der Situation interessiert war, begierig zu lernen und zu wissen was zu tun ist, und begannen mir einige Bücher zu geben. Ich glaube das, an das wir uns am meisten erinnerten war "Die Mutter" von Maxim Gorki. Ich war 15 oder 16 Jahre alt, als sie begannen offen mit uns über die Kommunistische Partei zu sprechen die das Gegenteil von Faschismus war, und darüber, dass man sich am geheimen Kampf beteiligen und die Leute gegen diese Diktatur organisieren müsse, denn es war dann wirklich eine Diktatur. Um die Zeit, als ich San Bartolomeo verliess, war ich bereits Teil der klandestinen Kommunistischen Partei. Ich hatte einen Cousin, der inhaftiert war, sein Name ware Nello Strozzi. Und dann auch der Bruder meines Freundes. Ich und mein Freund begannen auszugehen als ich achtzehn war. Er gehörte zur Viani Familie, sein Name war Alfeo.
Wir gingen zum Guardazone, das ist ein Berg in der Nähe von San Polo. Dort haben wir Mittag gegessen, ein paar belegte Brote. Da es kurz vor dem ersten Mai war, beschlossen wir ein Stück Papier zu nehmen und daraus mit unseren Lippenstiften eine Fahne zu machen. Dann haben wir einen Stock gefunden, ein Stück Holz, daran brachten wir die Fahne an und dann kletterten wir auf eine Pinie und befestigten sie daran… Dann sind wir abgehauen weil da waren Leute die Spitzel waren und schauten, ob sie uns dort noch finden können. Man konnte Mitglied werden, selbst wenn man noch nicht achtzehn war. Von da an lehrten sie uns Lieder wie "Bandiera Rossa" und andere Sachen, andere Lieder die die Leute auch nach dem Krieg noch gesungen haben.
Bevor er meine Mutter heiratete, lebte mein Vater bei einer Bauernfamilie, die für die Familie meiner Mutter arbeitete, und sie die damals "Diener" nannten. Mit den Kollegen aus Montecavolo gründeten sie eine Art Firma; sie hatten Maschinen zum Dreschen und Pflügen, und 4 oder 5 von ihnen schlossen sich zusammen und legten los. Danach hat er immer diese Arbeit gemacht, er war sozusagen der Drescher, sie zogen los zum pflügen, zum dreschen und all solche Sachen. Als ich zehn war, begann ich als Schneiderin zu arbeiten, oder vielleicht sollte ich sagen ich lernte eine Schneiderin zu werden. Ich half meiner Mutter ein wenig aus, weil wir hatten auch 20.000 Quadratmeter Land, wir hatten ein oder zwei Kühe für Milch, um zur Molkerei zu gehen und daraus etwas Käser, Butter, etc. zu bekommen. Im Winter, wenn man auf den Feldern nicht so viel machen konnte hat mein Vater uns mehr mit diesen Dingen geholfen als im Sommer, im Sommer war er immer arbeiten.
Ab dem 8. September war ich informiert wo sich die Genossen aufhielten um sie warnen zu können, dass sie wieder verhaftet werden sollten. Zum Beispiel Felice aus Puianello; sie haben jemanden geschickt, der mir sagte, dass ich Alfeo Viani informieren soll, dass er bereits auf einer Liste von Personen stand, die wieder verhaftet werden sollten. Auch Didoni, aus Scampate, mehr oder weniger alle von ihnen. Ich wollte die Kammeraden warnen, aber dann trafen sie sich alle in Scampate bei Chicco Castellani. Ich habe an den Treffen nicht wirklich teilgenommen. Sie haben mich dazu geholt, aber sie hatten sich getroffen um verschiedene Aufgaben zu verteilen, da sie ja alle Führungskräfte waren. Sie haben mich zum Einkaufen in die Stadt geschickt, um Brillen und Hüte zu kaufen, also Dinge zum Verkleiden, um unerkannt davon zu kommen, und um sich so bewegen zu können, wie sie es auch nachts taten. Jeder bekam einen Auftrag. Von da an begannen einige in Berge zu gehen, aber dort war absolut nichts vorbereitet. Wir gingen zu den Familien, von denen wir wussten, dass sie Antifaschisten waren, die gegen den Krieg waren… Zuallererst gab es bereits Soldaten, die es geschafft hatten zu fliehen und wir sagten Ihnen sie sollen in die Berge gehen. Dann sammelten wir Kleider und Lebensmittel. Ich brachte die Sachen nach Roncolo und übergab sie an Torreggiani, der sich darum kümmerte, dass sie in die Berge gebracht wurden. Wir taten das im Winter, wir sammelten nützliche Dinge, wir bereiteten die Menschen vor, bereiteten die Frauen darauf vor Unterkünfte bereit zu halten, um jemanden für eine Nacht zu verstecken oder für diejenigen die nicht wussten wo sie schlafen sollten, bevor sie in die Berge aufbrachen. Wir haben diese Dinge mehr oder weniger immer gemacht. Wir nahmen Aufträge entgegen… Einige organisierten, auch andere Dinge, aber ich mochte die militärische Arbeit mehr oder weniger. Ich habe die Genossen in den Bergen unterstützt und die, die sich verstecken mussten und all diese Dinge. Propaganda, Flugblätter verteilen, sie über Nacht heimlich überall auslegen. Dann begannen langsam die Streiks. Die Streiks gegen den Krieg hatten bereits begonnen, und wir bereiteten uns auf den Streik vom 1. März vor.
Dann bereiteten wir den Streik vom 1. März vor. Es gab bereits Streiks an anderen Orten. Ich war in diesem Komitee, das den Streik organisierte, wir hatten uns schon mehrmals getroffen, am Abend war das letzte Treffen in meinem Haus. Mein Vater hatte zugestimmt, also hatten wir das Treffen und es wurden Aufgaben verteilt. Alberta und ich trafen uns früh am Morgen - wir hatten bereits alle Flugblätter verteilt - und gingen nach Montecavolo. Unterwegs hielten wir bei jedem Bauern der seine Kühe molk und sagten "Denk daran, dass es später einen Streik gibt. Geh nicht auf die Felder nachdem du die Milch zur Molkerei gebracht hast, sondern komm zum Streik". “In Ordnung, wir kommen”, haben sie geantwortet. Und wir versammelten uns alle. Der Streik lief gut. Die Bauern (weil in Montecavolo viele Bauern waren) aber auch einige Arbeiter beteiligten sich am Streik, daher war der Streik in Montecavolo gelungen. Der Streik war gegen den Krieg, gegen all die Dinge die sie uns angetan haben und auch gegen den Hunger. Sie haben uns alles genommen, dann mussten wir den Weizen ins Lager bringen, alles. Die Bauern brachten Wein, Trauben, alles, sie nahmen uns alles. Deshalb gab es später auch einige Verluste, als wir zu diesen Lagerbeständen gingen, um all das Zeug zu nehmen, das sie uns genommen hatten. Ich habe schon oft gesagt, was mein Vater mir am Morgen des 1. März gesagt hat: „Ja Lidia, du tust das Richtige, weil es eine wichtige Sache ist, aber denk daran, dass sich danach dein Leben ändern wird". Ich habe mir morgens um 7:00 Uhr keine Gedanken darüber gemacht, dass sich mein Leben am Mittag ändern würde, aber mein Leben änderte sich, ich fühlte mich verantwortlicher… Ich fühlte mich bereits so bevor ich wirklich verantwortlich war für all die Dinge die ich getan habe. Aber danach ware alles anderes, die Verantwortlichkeiten waren anders, und alles hat sich veränderte sich ein bißchen. Ich war immer Lidia, aber sagen wir mal, ich hatte eine gute Erfahrung und ich war vielleicht sogar ein bisschen stolz darauf. Es kam ein Bus aus San Polo herüber, aber wir stoppten ihn sagten, dass es einen Streik gab, sie mussten umkehren. Im Bus waren auch ein paar Soldaten, wir haben sie heraus geholt und entwaffnet: Sie gaben uns die Waffen heraus ohne Widerstand zu leisten und sie stiegen nicht zurück in den Bus. Sie sind zu Fuß los gegangen, vielleicht um zu Fuß nach Hause zu gehen. Es war nichts passiert. Dann kam ein Faschist, der nach Montecavolo evakuiert wurde, aus einem aus Haus (wir waren in der Hauptstraße, dort am Platz, mit dem Streik, mit unseren Plakaten usw.) Er begann mit einem Maschinengewehr zu schießen, zuerst nur in die Luft. Ich glaube er hatte auch einen Revolver. Viele von uns rannten ihm hinterher. Schließlich haben wir ihn erwischt und entwaffnet. Jemand gab ihm eine Schelle, aber niemand tat ihm nicht wirklich weh, und niemand rief Dinge wie "lasst ihn uns töten". Ich meine, wir waren unbewaffnet und vielleicht ihm jemand einen Tritt gegeben, aber das war alles okay. Der Streik war vorbei, aber wir haben die Waffen behalten und in die Berge geschickt und dann haben wir den Streik gebrochen. Nach einer halben Stunde – gegen Mittag – gab es in Montecavolo bereits eine Ausgangssperre und die Menschen konnten ihre Häuser nicht mehr verlassen. Wir waren schon zuhause weil wir mit den Fahrrädern gefahren sind, und zwischen Montecavolo und Scampate sind es nur 3 bis 4 Kilometer.
Dann sehe ich den Lastwagen der Faschisten vorbeifahren, die Deutschen gehen hinauf. Da alle Bauern im Streik waren… fuhr der Lastwagen weiter hoch… sie fuhren stattdessen zu Aleottis Haus und setzten es in Brand (die Familie Aleotti war beim Streik). Irgendjemand hatte uns sofort verraten, denn in Montecavolo gab es viele Faschisten. Man hatte uns verraten, jedoch der Streik in Montecavolo funktionierte, aber nicht in den anderen Dörfern um Reggio, denn wenn das in der ganzen Provinz passiert wäre, hätten die Faschisten und die Deutschen viel zu tun gehabt! So konzentrierten sie sich auf Montecavolo, während der Streik in Rivalta nicht funktionierte, da jemand die Leute gewarnt hatte „nicht hinzugehen, um nicht umgebracht zu werden“. Es hätte passieren können, das stimmt, aber diese Kämpfe mussten geführt werden, sie waren ein Teil unserer Untergrundarbeit, dessen, wofür wir kämpften. Wir mussten kämpfen, um uns von all dem zu befreien. Bei mir zu Hause verhafteten sie Antinea, Liliana und Narciso, die einzigen, die sie antrafen. Narciso war zehn, er wurde im September elf, und wir hatten damals März. Später brachten sie ihn wieder zurück nach Hause, während Antinea und Liliana in Haft blieben. Meine Mutter war mit den Kleinsten zu Hause geblieben, da Beatrice erst 5 war (sie war 1939 geboren). Sie hatten einige Sachen zusammengepackt, um sie zu retten, falls die Faschisten kämen, um das Haus niederzubrennen. Dann verhafteten sie alle. Meinen Vater fanden sie nicht, sie erwischten ihn erst 7 oder 8 Tage später und schickten ihn in ein Konzentrationslager in Deutschland. Sie kamen auch zur Familie Aleotti und verhafteten den Jüngsten, der ein Freund von Chicco Catellani war, und den Ältesten – sie fanden nur diese beiden – und schickten auch sie nach Deutschland. Der Jüngste war etwa 16-17 Jahre alt. In jener Nacht konnten wir von Ghiardo aus das Feuer in Scampate sehen, denn sie brannten einfach alle Häuser nieder.
Sie nannten mich 'Aurora' and sagten zu mir: “Aurora, wir brauchen hier jemanden, der die ganze Zeit abrufbereit ist”. Ich war Tag und Nacht verfügbar, im Gegensatz zu denen, die zu Hause blieben und ihre Hausarbeiten erledigten. Wir brauchten jemanden der immer verfügbar war. So entschied ich mich und sagte, in Ordnung, ich werden lernen. Ich machte einen Schreibmaschinenkurs, wir bekamen eine Schreibmaschine und dann begann mein viel beschäftigtes Leben. Ich war eine Staffette (Kurierin), ich war Sekretärin, ich tat alles, was getan werden musste. Anfangs fuhr ich zweimal in der Woche nach Bologna, um wenn nötig Waffen und Munition zu holen, aber meistens um neue Befehle aus dem zentralen Hauptquartier entgegenzunehmen, von dem wir abhängig waren. Es gab das Oberkommando dann noch die ganzen anderen Kommandos, bis hinunter zu den Brigaden. Ich arbeitete pausenlos, nahm an Aktionen teil, wenn ich gebraucht wurde, Beschattung und andere Aktivitäten für unsere Brigade. Wir hatten Orte, wo wir hingingen, wir nannten sie „recapiti“ (Adressen), wo wir Dinge für alle hinbrachten: in Carpi, in Fossoli, in der Po-Ebene, wo wir überall Partisanen hatten. Ich brachte die Sachen dorthin, und die Kuriere überstellten sie weiter zu ihren „recapiti“. Es gab da übrigens viele Kuriere. Im lokalen Kommando war ich Sekretärin, aber ich hatte auch zwei Kurierinnen. Die eine war Carmen (Kampfname) und die andere Vera, sie kam aus Jugoslawien. Sie waren dem Hauptquartier der Brigade zugeordnet. Das war der Partisanenkampf. Vierzehn Monate lang Aktionen. Wenn auch nicht jeden Tag etwas passierte, so gab es etwas in einer Nacht, etwas anderes folgte in der nächsten und auch in der übernächsten. Ich arbeitete die ganze Zeit, durchgehend. Wenn ich nicht an der Schreibmaschine saß, fuhr ich mit dem Fahrrad in der ganzen Gegend herum, nach Bologna und in andere Städte. Mehr oder weniger ständig: diese Aktionen, diese Toten. Denn es gab leider auch Kämpfe, es gab auch Todesopfer. Vierzehn Monate lang Kämpfe.
In der Po-Ebene zwischen Limidi, Soliera, Carpi hatten wir alle unsere Kräfte zusammengezogen, einen Großteil unserer Kräfte. Denn alle Häuser, alle Ortschaften waren auf unserer Seite. Es gab auch eine Zeit, da nannten wir das ein "befreites Gebiet". Das betrat sonst niemand. Allerdings hatten auch die Nazis und die Faschisten ein Auge auf das Gebiet geworfen, nicht nur wir. Irgendwann haben sie beschlossen eine Razzia zu machen, um das Gebiet zu befreien. Aber eine Razzia mit vielen Kräften, mit Maschinengewehren, mit schwerem Gerät und schweren Waffen, um das Gebiet einzunehmen. Dabei hätten sie wahrscheinlich unsere gesamte Organisation zerstört. Also haben wir uns im Hauptquartier getroffen und beschlossen zu verschwinden. Wie üblich musste eine Stafette los und sich um das Gefecht kümmern, denn das war ein richtig schweres Gefecht. Die Stafette musste unsere Leute warnen, damit sie vorbereitet waren. Sonst wären sie massakriert worden. Und wenn sie nicht gefechtsbereit waren, dann konnten sie sich zumindest rechtzeitig zurückziehen, bevor sie getötet wurden. Irgendwann hab ich gesagt: „Ich gehe”. Ich kannte das Gebiet schon gut, weil ich da oft gewesen war. Wir hatten dort viele Bauernfamilien, wunderbare Familien. Ich sage also: „Ich gehe. Gebt mir einen Revolver”. Die Befehle behielt man so gut es ging im Gedächtnis und holte sie zu gegebener Zeit hervor. Ich gehe los. Dann treffe ich auf diese Streife. Was tun? Sie fordern mich auf anzuhalten. Ich ziehe meinen Revolver und schieße. Ich schieße während ich Fahrrad fahre. Ich fahre, schieße so lange es geht und fahre weiter, bis ich an meinen Zielort komme, anhalten kann und denen Bescheid geben kann, die sich dann zurückziehen. Die Nachricht wurde dann schnell weiter verbreitet. Tja, so bin ich durch die ganzen Schüsse und Kugeln durchgekommen, durch dieses Chaos. Denn als die schossen, brauchten sie keine Munition sparen. Mir wär sie aber irgendwann ausgegangen. Wir mussten auch darauf aufpassen, aber sie hatten (Munition) im Überfluß. Aber ich habe es geschafft. Das Gefecht ist gut ausgegangen, alles hat geklappt und alle konnten sich retten. Die Sache ist gut gegangen und heute lachen wir drüber. Aber es konnten sich alle retten. Wisst ihr, wie viele Leute dabei hätten sterben können, wenn man sie überrascht hätte. Ich wusste gar nicht, dass diese Episode bekannt war. Doch eines Tages standen Carabinieri vor meiner Tür und sagten, dass ich von der Armee, vom Staat ausgezeichnet worden bin, mit dieser Silbermedaille für militärische Verdienste. Besonders stolz war ich darauf gar nicht, denn mir war nicht klar, dass man sich mit sowas diese schöne Medaille verdienen konnte.
Wir besuchten Carmen Zanti zuhause in Puianello. Sie ware eine der Führungskräfte und seit Jahren in der Partei, gemeinsam mit ihrem Vater, der in Frankreich war, etc. Der berühmte Zanti, der bei der Zucchi Kaserne erschossen wurde. Die Partei hat ihr diese Aufgabe übertragen; sie war organisiert und hatte bereits Kontakte nach Modena, und sie verteilte Waffen, zusammen mit ihrer Schwägerin Iside Viani. Wir gingen zu ihr und verabredeten uns. Am Morgen gingen wir an meinem Haus vorbei. Es war niemand da, weil sie sich alle zu einer Versammlung in einem Viehstall trafen. Ich nahm mein Fahrrad und fuhr nach San Bartolomeo zurück, weil ich es nicht wagte, zu bleiben, denn es könnte mich jemand verraten haben. Also ging ich morgens los, ich holte Zanti ab und wir fuhren mit dem Fahrrad nach Modena. Sie brachte mich zu Alfeo Corassoli, wo ich den bekannten Rechtsanwalt Poppi traf, und da begann ich mich am richtigen Partisanenkampf zu beteiligen. Ich war wie eine Schwester für die Partisanen. Sie liebten und respektierten mich. Es war unglaublich. Während des Aufenthalts bei einer Bauernfamilie in Saliceto San Giuliano, wo ich für 5 oder 6 Monate war, fühlte ich mich wie zu Hause. Sie wussten nicht einmal, woher ich kam. Sie dachten, ich komme aus den Bergen bei Bologna. Erst nach dem Krieg erfuhren sie, dass ich aus Reggio kam.
Am 25. April waren wir in Modena frei, da wir uns bereits am 23. oder 22. befreit hatten. Und hier möchte ich eine Sache erwähnen, die ich nicht geschafft habe zu machen, da die Befreiung kurz darauf folgte. Wir hatten die ganze Nacht damit verbracht, eine Karte zu entwerfen, auf der eingezeichnet war, von wo die Kampfgruppen in unserem Gebiet aufbrechen sollten, wo die verschiedenen GAPs waren. Wir machten das für unsere GAPs, die SAPs machten dasselbe für ihre SAPs, wir bereiteten alles vor und sprachen uns ab. Andere kamen aus den Bergen herunter, und auch sie hatten Orte zu befreien. Wir verbrachten die ganze Nacht damit, diese Strategie vorzubereiten, um die Deutschen und die Faschisten, alle Bewaffneten, aus Modena zu vertreiben. Ich sollte nach Paganine fahren und die Befehle überbringen, denn es waren immer Kuriere, Männer oder Frauen, die diese Aufgabe hatten. Es gab keine andere Möglichkeit. Manche hatten vielleicht ein Telefon, wir aber nicht. Also brach ich mit meinen Befehlen auf. Ich musste das tun, denn wir konnten bereits die Kanonen hören, in Bologna zum Beispiel, man konnte Bomben hören, und dann bombardierten sie auch Gebiete in unserer Nähe. In Modena wurde nicht bombardiert, da wir es ihnen gesagt hatten, aber sie bombardierten Reggio und Cavriago, wo sich deutsche Kommandos befanden. Also brach ich auf, die Morane-Straße hinunter nach Paganine, einem Dorf Richtung Bologna, in Richtung der Berge kurz gesagt. Als ich dort ankam, fuhr ich noch einen Kilometer weiter und traf schon auf die Deutschen, die sich auf dem Rückzug befanden. Kühe, Wägen, Pferde, Fahrräder, sie hatten von allem etwas. Sie hielten mich an, und ich konnte nicht weiterfahren. „Ich muss weiter“, sagte ich zu ihnen. Wir fanden immer eine Ausrede, ein kranker Bruder oder dass wir zurück nach Hause müssten. Aber es war unmöglich. Sie wollten mir mein Fahrrad wegnehmen und zwangen mich umzukehren. Ich musste auf den Zeitpunkt warten, an dem wir uns mit den anderen Genossen treffen wollten, wo wir uns alle versammelten, all jene die ausgeschickt worden waren, um die Befehle zu übergeben. Wir trafen uns dort und halfen denen, die die Stadt verteidigen mussten und jenen, die gerade ankamen. Das war die einzige Mission, die ich nicht erfüllen konnte.
Meine Familie hatte Glück. Ich kehrte zurück, mein Vater und Avvenire kehrten aus Deutschland zurück, Davide war auch in den Bergen: er war einer der Leiter und wurde hier später stellvertretender Polizeipräsident. Wir hatten alle überlebt, alle neun und unsere Eltern. Danach haben wir immer für Frieden, Freiheit und Gleichheit gearbeitet… und dafür arbeiten wir noch immer! Vor sechzig Jahren dachten wir, dass ihr, unsere Enkel, es einmal besser haben würdet, dass das Leben ein bisschen friedlicher sein würde. Nicht zu sehr, nur ein kleines bisschen, denn auch ihr habt es noch nicht friedlich. Wir haben alles für unsere Kinder und Enkelkinder getan, damit sie in einer besseren Welt leben: nicht nur für unsere Kinder, für die ganze Welt, frei von Kriegen, Not, all diesen schrecklichen Dingen, denn es gibt noch immer viele schreckliche Dinge. Viele sagen: „Wir haben umsonst gekämpft“. Nein! Wir haben dafür gekämpft, damit es uns hinterher besser ginge. Unser Kampf war nützlich, denn davor war unser Leben reine Qual. Und wir hatten viel, aber wir wünschten uns, dass auch andere heute gleich viel haben würden. Verglichen mit dem, was wir zuvor hatten, hatten wir nach dem Krieg wirklich viel: wir arbeiteten, wir kämpften auch danach noch, wir bauten auf, wir arbeiteten Tag und Nacht… aber wir hatten auch viele positive Ergebnisse.
Lidia Valeriani (1923 - 2014)
Kampfname
Aurora
Widerstand
1939 - 1945: Montecavolo di Quattro Castella (Italien)
Partisan
Widerstandsgruppen
Soccorso Rosso, 35° Brigata Garibaldi »Walter Tabacchi«
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Original interview language (Italienisch)
English translation